Besuch im Nordbanado, Augenzeugenbericht


Nachdem ich es mehrmals verschoben hatte, reiste ich, trotz unsicheren Wetterprognosen, gestern in den Nordbanado. Mit mir kam Amalia, eine Mitstreiterin der Zone, die sich auch besser über den Stand der Dinge informieren wollte.

Die Anreise ist ja einfach, da unser Bus Nr. 37 Süd und Nordbanado verbindet, er muss einfach durch das ganze Stadtzentrum hindurch. Das dann doch fast eine Stunde dauert, wenn es viel Verkehr hat.
An der richtigen Abzweigung ausgestiegen, und ein Blick zum Himmel, es fing wirklich an zu tröpfeln… Dann sind wir der Strasse San Estanislao gefolgt, der zukünftigen Zubringerstrasse der Costanera Norte, die auch auf hochwassersicheres Niveau gebracht werden soll. 
Laufend fahren Lastwagen an uns vorbei, die Erde anfahren für den Strassenbau. Je weiter weg von der asphaltierten Hauptstrasse, desto ländlicher scheint das Viertel. Die Strasse auf der wir gehen ist nicht asphaltiert, dementsprechend sieht sie aus mit dem vielen und ungewohnten Lastwagenverkehr.


Bald seen wir die Auffüllung für die Strasse. Von weitem sieht es aus wie eine riesige Sanddüne, welche die kleinen einfachen Häuser der Anwohner überragt. Wir bitten um Erlaubnis, das Grundstück eines kleinen  Backsteinhäusleins zu betreten, um die Situation aus der Nähe betrachten zu können.


Da es jetzt stärker regnet, nutzen wir das Vordach kurz als Unterschlupf und reden mit der Familie, die dort wohnt. Zwar wollen sie nicht gefilmt oder fotografiert werden, erzählen aber bereitwillig wie die Situation für sie ist.  Noch immer wüssten sie nicht, wo und wann sie überhaupt ein Haus bekommen würden. Viele der Nachbarn hätten diese Unsicherheit nicht mehr ausgehalten und hätten das  ungenügende Geld angenommen, das man ihnen zahlte und seien eine neue Bleibe suchen gegangen. Der Hausbesitzer, der uns sein Vordach nutzen liess, meinte aber, er wolle eben ein neues Haus in der gleichen Zone, nicht nur Geld, denn was sie den Leuten zahlen, reiche nicht um anderswo neu anzufangen, und so warten sie eben. 
Der Sandwall beginnt etwa 15 Meter hinter dem Haus. Ich gehe etwas herum und sehe den Baum, den ich aus einem der Augenzeugenvideos kenne, wo durch die Bauarbeiten die dortigen Häuser mit dem Wasser des zugeschütteten Sees überschwemmt wurden. Vom See ist nicht mehr viel zu sehen, er ist unter Tonnen von Sand bedeckt.

Wir gehen etwas weiter und finden das Zelt des Widerstands und fragen dort nach dem Haus von Maria Garcia, der Coordinatorin der Cobanados (die Dachorganisation der Organisationen der Banados) und erfahren, dass wir schon zuweit gegangen sind. Da wir noch nicht zurückgehen wollen, fragen wir eine Anwohnerin nach dem Haus der Frau im Film (En defensa del banado), mit der Wäsche und den Schweinen….  Sie heisse Mabel, werden wir informiert und werden zu einem kleinen Hügel gewiesen, alles Bauschutt natürlich und ein eher windschief aussehendes Holzhaus darauf.  Hier ist nicht das Haus, sondern der Berg das Wertvolle!

Als wir Mabel sagen, dass wir aus dem Südbanado kommen und die Realität im Nordbanado erörtern wollen, werden wir von ihr herzlich empfangen. Sie lässt bereitwillig filmen und erzählt uns so allerlei. Auch sie wisse nicht was aus ihr werden würde. Die Auffüllarbeiten für die Strasse haben wenige Meter vor ihrem Haus gestoppt. Auf der anderen Seite kommt der Erdwall auch näher..., es hat nur noch etwa 200 m dazwischen, wo die zwei Strassenteile sich vereinen und dazwischen wohnen die Familien und sie „stören“ die Arbeiten. Sie selber habe keine Chance ein Haus zu erhalten, da sie nicht beweisen könne, dass dies ihr Haus sei, weil es das Haus ihrer Grossmutter war (etwas, das ich persönlich überhaupt nicht verstehe und noch abklären will, warum das so ist, ist ja völlig unlogisch). Aber immerhin hätten ihre Söhne die Möglichkeit, dass sie ein Haus erhalten könnten, darüber sei sie froh. Sie selber wisse nicht, was sie dann mache…Aber eigentlich wisse niemand, wo  diese Häuser dann gebaut werden sollen. Was sie vor allem sauer mache sei, dass schon ein neues Stadium geplant werde in der Zone zusammen mit einem riesigen Parkhaus. Doch für die betroffenen Anwohner habe man noch keinen Platz gefunden in ihrem eigenen Stadtviertel. Man respektiere sie einfach nicht.
Mittlerweile hat es so richtig zu regnen begonnen und wir stehen in der Küche, wo in der Mitte ein solider Gasherd steht, mit einer dampfenden Pfanne Suppe darauf.  Unter einer Bank liegt eine Hündin mit Welpen, der Boden ist aus Lehm und das Dach tropft ein wenig. Sie flicke das Haus eben in letzter Zeit nicht mehr gross, meint Mabel…..
Mabel erzählt uns, wie sie beim letzten Hochwasser hier auf Paletten gelebt habe, mit 20 cm Wasser auf dem Boden. (Bei uns kam das Wasser bis zum Dach, Mabel hat also ein sozusagen hochwassersicheres  Haus.) Ihre Kinder hätten sämtliche Hunde in der Umgebung gerettet, daher habe sie jetzt so viele Hunde. Es gäbe keinen Tag an dem sie nicht weine. Die Hochwasser hätten sie nie vertrieben, auch ihre Grossmutter nicht, aber jetzt dieses Projekt.

Dazu habe ich einen Ausschnitt des Videos mit deutschen Untertiteln versehen, es kann mit diesem Link angesehen werden:

https://drive.google.com/open?id=0B7pj4y-UiOOXQ05oWkFmZ2M5X1E

Die Suppe ist fertig, es regnet noch immer, so werden wir eingeladen, was uns beiden zwar nicht so recht ist…. Wir wollen ihnen ja nicht ihr z'Mittag wegessen. Im Gebäude nebenan gibt es einen grossen, schönen Holztisch mit zahlreichen Stühlen, dort essen wir die Suppe. Sofort macht sich ein riesiger, flauschiger Kater neben mir gemütlich. Nach dem Essen verschlechtert sich das Wetter und es kommt heftiger Wind auf. Mabel meint, wir würden jetzt besser ins Haus ihres Sohnes gehen. Ihr Haus hätte unter den Stürmen während des Hochwassers gelitten und sie hätte Angst bei Wind. Ich finde zwar, die Struktur sehe solide aus, aber wir flüchten mit ihr… mittlerweile giesst es waagrecht und wir sind nach den paar Metern schon nass.
Im kleinen Backsteinhaus des Sohnes warten wir das Ende des Gewitters ab, als der Regen nachlässt, bietet uns Mabel an, uns mit dem Transporttöff an die Hauptstrasse zu fahren.  Das nehmen wir gerne an, denn die Strasse hat sich durch den Regen in ein Schlammbad verwandelt.
Dort warten wir noch ziemlich lange im Regen und kalten Wind auf den Bus. Und ich denke, ich hätte nachschauen sollen, wie die tiefergelegene Zone, gleich hinter dem Erdwall, nach dem Regen aussieht. Da der See aufgefüllt ist, hat ja das Regenwasser nicht mehr Platz abzufliessen, und ich kann mir vorstellen, dass so einige Häuser im Wasser stehen. Ich mache mir eine gedankliche Notiz, das nächste Mal die Leute dort zu besuchen… und los gehts im vollgestopften Bus.

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