Der Stand der Dinge

Die Situation hier ist für mich im Moment wahnsinnig belastend. Und ich hätte manchmal einfach Lust, den Kopf in den Sand zu stecken, wie das viele Leute hier machen. Es ist so schwierig, die Situation richtig abzuschätzen, es überfordert mich völlig. Meine Ausbildung hilft mir zwar, aber sie ist einfach zu wenig und Erfahrung habe ich ja kaum im Bereich Kampagnen und schon gar nicht solche in dieser Art von Situation. Ich habe schon an mehrere Organisationen geschrieben, leider aber noch kaum Antworten erhalten. Ich bin zwar mit einem Latinamerikakorrespondenten von Radio und einer Korrespondentin vom Fernsehen im Kontakt.. es hat aber eigentlich zu wenig, das man vorzeigen kann.

Diese Woche ist dann endlich diese Volkszählung, die wir boykottieren wollen hier in die Zone gekommen. Ich habe die ganze Zone informiert und vorbereitet mit meiner Plakatkampagne, und den Leuten gesagt, sie sollen diese Volkszählung nicht machen, weil die Abkommen, die wir hatten, einfach mal wieder nicht eingehalten wurden und ausserdem sind wir unsicher, dass dieses Papier dann nicht für den Enteignungsprozess gebraucht werden wird. Ich konnte fast alle überzeugen, ein Plakat an ihr Haus zu kleben und so zur Boykottierung zu stehen. Leider hat es schlussendlich nicht funktioniert... Denn die "Volkszählenden" haben diese Plakate (nur A4) nicht respektiert, und drohten den Leuten, wenn sie die Zählung nicht machen, werden sie danach mit nichts dastehen. Somit hat sich ein grosser Teil der Bevölkerung dann doch zählen lassen, aus Angst. Ich bin jetzt nicht sicher, wie schlimm das ist, es kommt draufan, was die mit diesen Papieren vorhaben. Man musste die wenigstens nicht unterschreiben (die Leute haben eine Riesenangst, die Unterschrift zu geben, so wurde dies umgangen). Und ich bin auch nicht sicher, wie schlimm es ist für welche, die sich nicht zählen liessen, und die jetzt damit fast alleine bleiben. Die leader der Cobat (ich habe angerufen) meinen, ich solle mir keine Sorgen machen. Aber ich bin mir da nicht so sicher, und ich fühle mich verantwortlich für die, die sich nicht zählen liessen, weil sie mir vertrauen.

Heute bin ich in das Büro von Global gegangen (die Firma, die die Zählung im Namen von Itaipu macht und die nach einem vielversprechenden Anfang uns auch den Rücken gekehrt hat) und habe verlangt, mit dem Chef, Mario Bernal, zu reden. Das verlangen wir von der Cobat schon lange. Leider war er, wie meist, nicht dort. Eine der Frauen, von Camsat (der uns untreuen Organisation, die uns verteidigen sollte, aber dem Staat in die Hände spielt) hat ihn dann aber für mich angerufen und ich konnte wenigstens telefonieren. Ich konnte aber so nicht die Fragen stellen, die ich wollte, weil ich das vor den Camsat-Frauen nicht gut konnte. Er beruhigt, die Volkszählung sei nur eine Volkszählung, ich solle die nur machen lassen und es sei noch nicht mal klar, was für ein Projekt gewählt würde. Diese Antwort hat mich nicht überrascht, das sagt er immer. Zu uns. Zu den Leuten von Camsat sagt er offenbar was anderes. Mit ihnen habe ich noch lange geredet. Sie stehen noch immer voll und ganz hinter dem Auffüllprojekt, der Damm sei nicht möglich. Ich habe nur wenig gesagt. Ich weiss ja, dass dies nichts nützt. Es war auch eine Frau aus dem Amt von öffentlichen Bauten da, auch sie besteht darauf, dass der Damm nicht möglich sei. Ich weiss, dass das nicht so ist. Aber ich habe nichts erwidert, mich dumm gestellt. Es hilft nichts, dass Pilar wegen heftigem Regen unter Wasser steht. Pilar hat einen sehr rudimentären Damm mit ungenügenden Pumpen, nicht zu vergleichen mit dem, was wir hier geplant hätten. Sie waren auch am Seminar und darum bin ich informiert. Die der Camsat schlachten das natürlich aus. Aber ich habe kaum argumentiert, sie liessen mich auch gar nicht zu Wort kommen. Und haben mir sozusagen gesagt, ich hätte keine Ahnung. Da ich dann, mich verteidigend, erwähnt habe, dass ich Umweltingenieurin bin, will mich die Frau vom Amt für Öffentliche Bauten jetzt für ihr Projekt gewinnen. Vermutlich würden sie mich sogar anstellen und bezahlen. Auch da habe ich nicht viel gesagt. Ich hoffe, sie laden mich so in ihre Versammlung ein, und da kann ich zuhöhren und Information sammeln für den Protest dagegen. Aber ich glaube nicht, dass Sophia, eine von Camsat, das zulässt, die mag mich gar nicht und ich glaube nicht, dass sie glaubt, ich hätte mich überzeugen lassen. Die ganze Konversation habe ich auf meinem Handy aufgezeichnet, als Tonspur. Leider hört man die Telefonantworten von Mario Bernal kaum, aber ich denke, mit einem guten Programm könnte man die hörbar machen. Ich zeichne seit etwa einem Monat alles konsequent auf und archiviere es online und auf meinem Computer, für den Fall, dass ich etwas beweisen muss. Die Tonspuren weisen jeweils das Datum auf, Namen gebe ich ihnen aber bisher nicht, das, um das Label mit dem Datum und Uhrzeit nicht zu ändern. Die Namen der sprechenden Personen, sind aber leider meist nicht drauf, weil ich die Personen, die ich schon kenne, leider nicht live darum beten kann sich vorzustellen. Und manchmal auch einfach vergesse, die Namen zu erwähnern zu versuchen.

Ich suchte dann auch noch Pai Pedro (den korrupten Pfarrer), auch ihn wollte ich anhören und sollte er einwilligen, aufzuzeichnen, leider war er aber in einer Bibelstunde und jemand hat mir seine Nummer gegeben, ich habe sie aber noch nicht in Gebrauch genommen, ich mache solches nicht gern per Telefon.
Ich wollte dann auch noch den Präsidenten von Cobat aufsuchen, er war aber leider nicht zu Hause und ich habe jetzt seine Nummer, hab aber auch noch nicht angerufen.
Bei zwei meiner Mitstreiterinnen in der "Papagaienstrasse" ging ich auch noch vorbei, zum Schauen wie die Volkszählungssituation dort ist und habe etwas mit ihnen geredet. Amalia will mich auf meiner Exkursion in den Norden begleiten, die ich für nächste Woche plane. Ich will mit eigenen Augen sehen, wies dort im Moment steht, fotografieren, filmen und wenn möglich ein paar Leute interviewen, wenn sie aufgezeichnet werden wollen... sonst eben nur reden. Damit will ich die beiden Situationen vergleichen und mich darauf vorbereiten, sollte die Fernsehkorrespondentin dann im Mai nach Paraguay kommen.

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